Gäste aus Suqian lernen örtliche Unternehmen kennen
Drei Hospitanten aus der chinesischen Stadt Suqian, mit der Mönchengladbach partnerschaftlich verbunden ist, sind derzeit in der Stadt zu Gast und arbeiten in unterschiedlichen Unternehmen mit – organisiert durch die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Liu Mins erste Station war die WFMG. Ihr erstes Fazit: Zwischen MG und Suqian gibt es erstaunlich viele Parallelen. Hier schildert sie ihre Eindrücke.
“Das Wort „Mönchengladbach“ hat eine vielsagende chinesische Übersetzung – „Meng Xing“, was so viel wie „wachsende, gedeihende Pforte“ bedeutet. Die Stadt trägt diesen Titel zurecht. Am Niederrhein gelegen, ist Mönchengladbach so etwas wie eine Pforte zwischen Deutschland und seinen europäischen Partnern, und knüpft darüber hinaus auch eine Verbindung mit China – speziell meiner Heimatstadt Suqian. Mönchengladbach wächst, hat bereits rund 270.000 Einwohner, und auch seine Wirtschaft entwickelt sich positiv. Die bedeutsamen Zweige Maschinenbau, Elektrotechnik, Textil/Bekleidung und Logistik durfte ich vor Ort bisher kennenlernen.
Suqian liegt im Flussdelta des Yangtze, der wirtschaftlich dynamischsten Region Chinas. Die Stadt ist 8555 Quadratkilometer groß, hat 5,5 Millionen Einwohner, ist ein boomender Wirtschaftsstandort und verfügt darüber hinaus über schöne Landschaften und ein gesundes ökologisches Umfeld. Trotz der mehr als 8000 Kilometer, die zwischen Mönchengladbach und Suqian liegen, sind die beiden einander nah – wegen der offenen Pforte, die sie miteinander verbindet. Ich darf mich glücklich schätzen, dieses Tor zu durchschreiten und in Mönchengladbach zu hospitieren. Und ich fühle hier vor Ort nicht nur die Offenheit und das Wachstum der Stadt, sondern kann auch ihr großes Potenzial zur Weiterentwicklung empfinden.
Seit Februar 2018 sind drei von uns – allesamt aus unterschiedlichen Abteilungen der Regierung in Suqian – für Hospitanzen in Mönchengladbach zu Gast, einer Stadt, mit der wir eine Wirtschaftspartnerschaft unterhalten. Ergeben hat sich diese Möglichkeit aufgrund der langjährigen, engen Partnerschaft zwischen Nordrhein-Westfalen und Jiangsu, organisiert werden die Hospitanzen durch die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ).
Ich persönlich arbeite im Verwaltungsausschuss der Suqian National Economic and Technological Development Area, dem größten Industriegebiet Suqians. Meine erste Hospitanz in Mönchengladbach habe ich bei der Wirtschaftsförderung (WFMG) verbracht. Am Tag unserer Ankunft haben uns meine neuen Kollegen erst einmal die schöne Stadt gezeigt. Borussia, aber auch die boomende eCommerce- und Logistikbranche, haben mich dabei tief beeindruckt.
Borussia Mönchengladbach genießt in China ein hohes Ansehen. Der Klub ist gerade dabei, eine intensivere Kooperation in Form eines Jugendfußballprojekts mit der Regierung in Suqian zu vereinbaren. Ich glaube, dass der Jugendfußball in Suqian sich unter Borussias Anleitung künftig massiv entwickeln wird.
Fußball und Bier sind ja immer eng miteinander verknüpft. Die Marke Bolten finde ich äußerst erfrischend und lecker! In Suqian werden zwei berühmte Biersorten produziert: Qingdao und Budweiser. Darüber hinaus gibt es eine historisch gewachsene Schnaps-Kultur: Die Marke Yanghe genießt sowohl in China als auch im Ausland einen guten Ruf. In London beispielsweise ist der Schnaps unter Cocktailtrinkern beliebt und ermöglicht es der britischen Jugend so, die chinesische Trinkkultur etwas näher kennenzulernern.
Die Entwicklung von Mönchengladbachs Logistiksektor beeindruckt mich sehr. Die Nähe zu Düsseldorf, Köln und den belgischen und niederländischen Seehäfen erweist sich da sicher als ein geografischer Vorteil. Zahlreiche renommierte Logistiker wie Deutsche Post DHL, Zalando und weitere haben sich hier angesiedelt. Bis 2019 wird Amazon dazugekommen sein. Zweifelsohne hat Mönchengladbach mittlerweile eine führende Rolle eingenommen, was die Entwicklung des eCommerce und der Logistiksparte angeht.
Auch Suqian, das in der Nähe von Shanghai liegt, kann hier ebenfalls Erfolge verzeichnen. Liu Qiangdong ist hier beispielsweise zuhause, der Gründer und CEO des Onlinehändlers JD.com – immerhin Chinas zweitgrößter Elektronikhändler. In Suqian befinden sich das nationale Kundendienstzentrum von JD, eines der größten Logistikzentren des Unternehmens sowie ein eCommerce-Zentrum. Nicht zuletzt dank JD gelingt es Suqian, eine einzigartige Szene in Sachen Onlinehandels zu entwickeln; 20.000 Menschen sind am Standort in diesem Sektor bereits beschäftigt. Zahlreiche so genannte „eCommerce Villages“, Dörfer des Onlinehandels, entstehen, wovon auch örtliche Bauern und Einzelhändler profitieren, die einen Teil ihres Geschäfts ins Internet verlagern.
Trotz alledem ist Mönchengladbach industrielles Rückgrat immer noch vielerorts erlebbar. Während meiner Hospitanz luden mich meine Kollegen dazu ein, die Aktivitäten von MGconnect zu begleiten. Das MGconnect-Team der WFMG hat es sich auf die Fahnen geschrieben, Jugendliche für das Berufsleben und eine entsprechende Vorbereitung zu begeistern. In verschiedenen Veranstaltungen können Schüler Einblicke in die Arbeitswelt bekommen und praktische Erfahrungen sammeln, indem sie Unternehmen und Berufsbilder aus den verschiedensten Bereichen kennenlernen – beispielsweise beim Business-Tag Ingenieurwesen bei der SMS Group oder bei Trützschler. Gerade die Industrieriesen SMS und Trützschler haben mich in Sachen Ingenieursausbildung sehr beeindruckt – vielleicht ist das ja einer der Gründe, warum das Siegel „Made in Germany“ weltweit so einen guten Ruf genießt? Ingenieure zählen für mich zu den absoluten Schätzen eines Landes. Die Ausbildung hierzulande kann dabei als gutes Vorbild für entsprechende duale Ansätze in den Berufs- und Fachschulen in Suqian dienen.
Dank MGconnect konnte ich auch die Hochschule Niederrhein besuchen, deren Textilbereich und Forschungszentrum für Textil und Bekleidung ohne Übertreibung von Weltrang sind. Die Zusammenarbeit verschiedenster Akteure in diesem Bereich, darunter nicht zuletzt zahlreiche Unternehmen aus den besagten Branchen, sorgt dafür, dass Mönchengladbach diesbezüglich herausragende Möglichkeiten haben dürfte, was die weitere Entwicklung angeht.
Auch in Suqian spielen Textil und Bekleidung eine wichtige Rolle. Etliche bekannte Marken sind dort angesiedelt. Aufgrund gestiegener Lohnkosten muss sich die Textilindustrie allerdings umstellen, insbesondere, was die Effizienz der Produktion und technologische Innovationen angeht. Das birgt wiederum auch weitere Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Mönchengladbach und Suqian – etwa in Bereichen wie Produktion, Erneuerung von Maschinenparks, industrieller Forschung und Anwendungen.
Was ich ebenfalls herausgefunden habe: Mönchengladbach verfügt über viel schöne Architektur. Das Konzept des Passivhauses war mir neu – dabei werden Eleganz und Energieeffizienz miteinander verbunden. Am meisten jedoch hat mich die Architektur des Minto beeindruckt. Ohne Übertreibung kann ich sagen, dass ich in Nordrhein-Westfalen kein besseres Einkaufszentrum gesehen habe. Das stromlinienförmige Design und die clevere Integration bestehender Gebäude finde ich klasse – ebenso wie den Komfort in Bezug auf Shopping und Unterhaltung. Darüber hinaus durfte ich das „Healthy Building“-Konzept kennenlernen, ein Projekt, mit dem sich die WFMG seit Kurzem auseinandersetzt. Dabei geht es darum, ein nachhaltiges architektonisches Konzept mit einer effizienteren Energiegewinnung und effizienterem Verbrauch zu kombinieren.
Und damit sind wir bei der Kultur, die mich wirklich fasziniert hat. Am eindrücklichsten war mich für der Veilchendienstagszug – ein tolles Beispiel für den historisch gewachsenen Brauch des Karnevalfeierns, der zum unverzichtbaren Kulturerbe Mönchengladbachs gehört. Im Februar durften wir an den Feierlichkeiten teilnehmen. Die fröhliche Atmosphäre mit ihren lustigen Umzügen und den Unmengen an Kamelle und Schokolade riss wirklich jeden mit. Der Karneval in Mönchengladbach wird für immer eine der schönsten Erinnerungen meines Lebens sein. Übrigens: Es ist ziemlich bewundernswert, wie schnell und effizient die Straßenreinigung nach so einem „VDZ“ agiert.
Nun ist die Hospitanz bei der WFMG bereits vorüber, nun geht es für mich weiter zu den Zeichensaelen. Es war für mich das erste Mal, dass ich in Deutschland mit deutschen Kollegen zusammengearbeitet habe. Die WFMG hat mir zahlreiche Chancen ermöglicht: So durfte ich an vielen Projekten, Meetings und Aktivitäten teilnehmen, die meinen Horizont erweitert haben und von denen ich zukünftig profitieren kann und werde. Die Effizienz der Arbeit bei der WFMG hat mir gefallen, ebenso wie die offene Atmosphäre. Am wichtigsten aber war mir, dass die Kollegen jederzeit freundlich und aufrichtig waren, was mich sehr berührt hat. Ich möchte jedem für meine tolle Hospitanz hier danken! Und im Gegenzug möchte ich jeden in Suqian willkommen heißen. Weil ich inständig hoffe, dass die beiden Städte Mönchengladbach und Suqian künftig Hand in Hand arbeiten werden, um das Tor der Zusammenarbeit und des Wohlstands in beide Richtungen zu öffnen.”