Blickpunkt Im Gespräch mit Professor Ulrich Weinberg „Die Gruppe ist der Innovator“ An der School of Design Thinking in Potsdam gibt es derzeit 120 Studierende aus 70 Disziplinen, aus 60 Hochschulen, aus 20 Nationen, die in kleinen Teams an der Lösung komplexer Fragestellungen arbeiten und dabei lernen, vernetzt zu denken und zu arbeiten. Ihr Leiter ist Professor Ulrich Weinberg. Im Interview erklärt er, warum es agile Teams braucht, um eine Region zu stärken, und keine Einzelkämpfer. Was ist überhaupt Design Thinking? Und warum braucht es dafür sogar eine eige- ne Bildungseinrichtung? Ulrich Weinberg: Design Thinking, wie der Name sagt, hat was mit Design zu tun, aber es ist nicht so vordergründig. Der De- sign-Thinking-Begriff geht ein bisschen weiter. Wir nutzen die Denk- und Arbeits- weise von Designern. Wir setzen nicht aus- schließlich auf den einzelnen Experten zu einem Spezialthema, sondern setzen dar- auf, dass komplexe Fragestellungen auch komplex gelöst werden müssen und das mit unterschiedlichen Expertisen. Die Pan- demie ist ein schönes Beispiel für so eine komplexe Fragestellung. Da tue ich mir keinen Gefallen, wenn ich mich nur auf die einzelne Expertise eines Virologen verlas- se oder mich nur darauf verlasse, dass das aus einer medizinischen Sichtweise behan- delt wird. Das Thema ist so komplex und so vielgestaltig. Und es zeigt, dass wir noch nicht in der Lage sind, auch in größeren Entscheidungsstrukturen wirklich komplex eine Lösung anzugehen, sondern immer noch aus einer Silo-Perspektive denken. Welche Potenziale sehen Sie in Mön- chengladbach und der Region, um hier eine Pilot-Region für nachhaltige Wirt- schaft mit europäischer Strahlkraft zu entwickeln? Ulrich Weinberg: Ich sehe da jede Men- ge Möglichkeiten. Die Menschen haben über Jahre und Jahrzehnte eine Expertise in Bereichen aufgebaut, die zum Teil über kurz oder lang nicht mehr von Interesse sind. Das heißt, ich habe einen sozialen Druck. Ich muss zum einen dafür sorgen, dass Menschen neue Dinge lernen, weil sie mit der Region fest verbunden sind, sich super wohl fühlen und hier eine Familie haben. Zum anderen ist es eine Region mit vielen größeren Städten und vielen Kultur-Potenzialen. Die gesellschaftliche Entschiedenheit ist da, dass da ein Wan- 6 t u t i t s n I - r e n t t a l P - o s s a H : o t o F Professor Ulrich Weinberg leitet seit 14 Jahren die School of Design Thinking am Potsdamer Hasso-Plattner-Institut. del passieren muss – auch in der ganzen Energiewelt. Das gilt es jetzt aufzugreifen und die schlummernden Potenziale zu we- cken. Nun können Dinge in Gang gesetzt werden, die vielleicht auf den tradierten Wegen nicht zum Tragen gekommen wä- ren, auch jetzt mit dem zusätzlichen Druck der Digitalisierung durch die Pandemie. Da jetzt Prozesse in Gang zu setzen, welche die Menschen mitnehmen, wäre meine Botschaft in die Region. Welche Schwerpunkte sollten regionale Wirtschaftsförderungen verfolgen, um diese Potenziale bestmöglich zu akti- vieren? Ulrich Weinberg: Es ist wichtig, Potenzi- ale sichtbar zu machen. Also viel im Aus- tausch zu sein. Mit Organisationen, mit Initiativen und auch mit Einzelpersonen, die man als Treiber von positiver Verän- derung erkennt, um sie zu einem aktiven Teil eines Wandlungsprozesses zu machen. Ein weiteres ganz wichtiges Momentum ist es, Unternehmergeist zu fördern. Unser Ansatz mit der School of Design Thinking führt bei den Studierenden dazu, den Un- ternehmergeist freizusetzen. Wir führen Menschen unterschiedlicher Disziplinen zusammen und schaffen Räume dafür. Auf Mönchengladbach und die Region be- zogen spreche ich von Orten in der Region, an denen man sich findet, um Probleme zu lösen und gemeinsam in die Entwicklung von neuen Ideen, Produkten und Services zu gehen. Eine Art Maker Lab und Cowor- king Space. Orte, an denen sich Jung und Alt treffen können, an denen man sich austauschen kann und sich als junger Un- ternehmer oder potentieller Unternehmer kundig machen kann. Orte, an denen Leute zusammenkommen, die viele Jahre an Er- fahrung haben und Lust haben, das wei- terzugeben und diese Art von Austausch zu betreiben. So entstehen viele kleine un- ternehmerische Aktivitäten, die insgesamt die Region beflügeln. Man muss in kolla- borative Denk- und Arbeitsprozesse rein- kommen. Es ist ein Team-orientierter, kol- laborativer Innovationsprozess. Wenn der im Gang ist, entstehen Dinge, die man als Einzelner nur in seltenen Ausnahmefällen hinbekommt. Die Gruppe ist der Innovator. Blog & Podcast Das komplette Interview finden Sie unter www.wfmg.de. www.wfmg.de