Bleichwiese, eine Idee der Freimeister für ein temporäres Zwischennutzungskon- zept als Reminiszenz an den Gladbach als Namensgeber der Stadt. Mönchen- gladbach ist reich an solchen Potenzia- len, die es noch zu heben gilt. Für eine erfolgreiche Umsetzung solcher Ideen bedarf es allerdings guter und interdis- ziplinärer Zusammenarbeit mit vielerlei Akteuren abseits von Silodenken. Sie bezeichnen sich als Praktiker, und Praktiker performen in der Regel über Projekte. Welche Projekte, die Sie mit angestoßen haben, haben nachhaltige Effekte ausgelöst, auf die Sie noch heu- te stolz sind? David Bongartz: Zunächst einmal ist gute Standortentwicklung und Wirt- schaftsförderung immer ein gemein- schaftlicher Erfolg, ein Zusammenspiel vieler verschiedener Akteure; und dem- entsprechend hat Erfolg immer viele Vä- ter und Mütter. Mein Dank gilt hier vielen Unternehmerinnen und Unternehmern, Netzwerk-Kooperationspartnern, Förder- gebern, politischen Vertretern, kompe- tenten Kolleginnen und Kollegen in der Verwaltung und natürlich den Teams bei der WFMG, am Flughafen und in unserer Gruppe insgesamt. Als Wirtschaftsförderung sind wir in viele Projekte und Prozesse involviert. Wenn man durch die Stadt fährt, findet man dies an vielen Stellen wieder, das ist ein gutes Gefühl. Das in den letzten Jahren wieder wachsende Cluster in der Textilwirtschaft, das sich seit Anfang der 2000er zunächst langsam und dann schneller entwickeln konnte, ist ein schö- ner Erfolg für den Standort. Man muss sich vor Augen halten, dass Anfang der 2000er noch die letzten großen Pro- duktionsstätten geschlossen haben, Schlafhorst die Stadt verließ. Die Nach- wuchsmesse MG ZIEHT AN war dann ein stückweit die Keimzelle für weitere Ent- wicklungen, bspw. das niederrheinweite Innovationsnetzwerk teXellence; später folgte dann ein CSR-Kompetenzzentrum für die Branche und heute die Textilfabrik 7.0. Die in dieser Zeit entstandenen Infra- strukturen wie das Textiltechnikum und auch die Textilakademie an der Hoch- schule wie das Forschungszentrum für Textil und Bekleidung (FTB), die Fraunho- fer-Aktivitäten sowie die Ansiedlungen der letzten Jahre und einiges mehr sind zukunftsweisend. Im Bereich Fachkräftenachwuchs konn- te mit MGconnect eine Initiative und Stiftung etabliert werden, die jedes Jahr mehrere tausend Schüler zu ihrer be- ruflichen Orientierung nutzen. Anknüp- fungspunkt war auch hier MG ZIEHT AN. Ein Mitarbeiter im MAGS (Ministerium für Arbeit und Gesundheit des Landes NRW) sagte mir damals, dass Mönchenglad- bach bei den Strukturwandelproblemen mehr für die jungen Leute tun sollte; MGconnect war dann ein Pilotprojekt für den heutigen KAOA-Ansatz in Nord- rhein-Westfalen. Den Hugo Junkers Han- gar haben wir bereits erwähnt; dieser konnte seit Eröffnung im Juni 2015 rund 400.000 Besucher begrüßen. Ein Riesen- erfolg, auch wenn man Rahmenbedin- gungen wie Corona oder den tragischen Absturz eines Junkers-Flugzeugs in den Alpen berücksichtigt. Als ein schönes Projekt im letzten Jahr möchte ich die Ausstellung EINFACH GRÜN des deutschen Architekturmuse- ums erwähnen, die wir zum 25-Jährigen der WFMG im Museumsgarten umsetzen konnten. Ohne die Unterstützung aus der heimischen Wirtschaft, die einem Crowdfunding-Ansatz nahekam, wäre das nicht möglich gewesen. Sie haben zuletzt noch einmal be- rufsbegleitend studiert – Sustainabi- lity Leadership in Cambridge. Welche Erkenntnisse für Ihren Arbeitsalltag konnten Sie daraus ableiten? David Bongartz: Welche Auswirkungen haben Elemente der Beschleunigung beim Klimawandel hinsichtlich einer ressourcenorientierten Betrachtungs- weise? Welche Umwälzungen etwa auf den Finanzmärkten ergeben sich dar- aus? Und vor allem: Wie betrachte ich das systemisch im Zusammenspiel von Regulatorik, Finanzmärkten und natür- lich Innovationen? Solche Fragen haben mich gereizt, als ich 2020, im ersten Co- ronajahr, dieses Onlinestudium mit einer international besetzten Gruppe absol- Interview vierte. Die maßgeblichen Erkenntnisse: Silodenken gehört der Vergangenheit an. Man muss interdisziplinär, stark vernetzt denken – inhaltlich und auch räumlich. Vernetzte Regionen sind erfolgreicher – das ist wissenschaftlich erwiesen. Da- raus leiten sich einige Dinge ab: Wenn man all diese monumentalen Aufgaben gleichzeitig anpacken muss, kann das Er- gebnis nicht perfekt sein, aber anpacken muss man sie trotzdem. Ich finde auch, dass eine Kultur des Scheitern-Könnens mit zur Wahrheit gehört. Bei der WFMG haben wir gemeinsam mit den Teamlei- tern und den Teams zum Beispiel den Anspruch entwickelt, eine Innovations- agentur für den Standort zu sein. Solan- ge man aus denjenigen Dingen, die nicht klappen, lernt und Schlüsse zieht, ist al- les fein. Ihr Weg führt Sie nun zur Zukunfts- agentur Rheinisches Revier. Was wer- den Sie dort künftig tun – und können Sie schon absehen, wie Sie von der an- deren Seite des Tisches auf Mönchen- gladbach blicken werden? David Bongartz: Das Rheinische Revier hat ja einerseits die Energieversorgung im ganzen Land gesichert und gut von fossilen Energieträgern gelebt. Analog zum Ruhrgebiet ist der Wohlstand des ganzen Landes auch durch den Braun- kohleabbau bei uns im Revier mitge- prägt worden. Die riesigen Löcher in der Landschaft mit all ihren Folgewirkungen zeigen natürlich auch die Wunden die- ser Entwicklung. Dass die Bagger an der Kante einer Großstadt wie Mönchenglad- bach knabbern, dürfte europaweit auch einmalig sein. Der – quasi – „Live-Struk- turwandel“ des Rheinischen Reviers hat viele Facetten und Komplexitäten. Die Kombination aus der anstehenden Trans- formation in eine nicht-fossile Zukunft und dem Anspruch des Reviers, sich zu einer Pilotregion für nachhaltiges Wirt- schaften mit europaweiter Strahlkraft zu entwickeln, ist reizvoll. Mönchenglad- bach als Großstadt hat die Chance, hier ein urbanes Reallabor zu werden. Das ganze Interview können Sie auf un- seren Blog nachlesen: www.wfmg.de 19