Für unser Magazin „Business in MG“ haben wir fünf Expert(inn)en gefragt, was geschehen muss, damit eine Stadt wie Rheydt auch in Zukunft als Wohn-, Einkaufs- und Wirtschaftsstandort attraktiv bleibt, oder sogar noch attraktiver wird. Lesen Sie hier Ihre Antworten.
Etliche Hiobsbotschaften insbesondere für den Einkaufsstandort sind in den letzten Wochen über Rheydt hereingebrochen. Andererseits hat sich im Rahmen des Städtebauförderungsprogramms „Soziale Stadt“ und durch die Arbeit des Quartiersmanagements Rheydt unglaublich viel Positives getan. Und mit den Schwierigkeiten wie wachsendem Leerstand, dem Rückzug jahrzehntelang bewährter Platzhirsche wie Karstadt und dem zunehmenden Druck auf den inhabergeführten Einzelhandel durch die Digitalisierung und die Corona-Pandemie bildet Rheydt keine Ausnahme, sondern teilt dieses Schicksal mit Hunderten von Stadtkernen im Lande. Doch wie auf diese vielschichtigen Herausforderungen reagieren? Welche Fehler dürfen nicht gemacht werden, welche Zielgruppen müssen bedient werden?
Prof. Dr. Gerrit Heinemann – Hochschule Niederrhein, Experte für E-Commerce, Online-Handel und Multi-Channel-Handel: „Covid-19 ist tödlich für den innerstädtischen Einzelhandel. Die vom HDE prognostizierten 50.000 Geschäftsaufgaben bis 2021 bedeuten für Rheydt mindestens 50 neue Leerstände. Diese werden weder mit Einzelhandel noch mit Gastronomie oder Büroflächen zu füllen sein. Andererseits gibt es akuten Bedarf an dringend benötigtem, bezahlbarem Wohnraum. Strukturschwache Mittelzentren wie Rheydt haben nur dann eine Zukunft, wenn Sie sich wandeln von mietpreisgetriebenen Anlageobjektversammlungen hin zu schönen Lebensräumen mit hoher Aufenthaltsqualität. Den Bürgern ist eine grüne Wohnstadt lieber als eine leerstehende Einkaufsstadt.“
Jan Kaiser – Geschäftsführer des Handelsverbands NRW – Rheinland (MG): „Viele etablierte Handelsgeschäfte sind aus Rheydt verschwunden oder stehen vor der Standortaufgabe. Nun gilt es aus Fehlern zu lernen und konstruktiv, zukunftsgerichtet und gemeinsam mit dem Handel die Innenstadt von Rheydt neu zu denken und zu gestalten. Rheydt bietet dabei viele gute Voraussetzungen, wie etwa einen kompakten Kern, kurze Wege und die Nähe zur Hochschule. Es gilt die guten Ideen, wie die Ansiedlung von Arbeits- und Wohnplätzen in Rheydt zügig und geschäftsverträglich umzusetzen, um den letztlich entscheidenden Mix zwischen Handel, Gastronomie, Service und Wohnen zu erreichen.“
Gülistan Yüksel – SPD-Bundestagsabgeordnete aus Rheydt: „Die Verödung der Innenstädte und Einkaufsstraßen ist auch in Rheydt ein Problem. Es gilt, Leerstand innovativ und mutig anzugehen, Wohnraum zu schaffen und die ungenutzten Flächen zu gestalten. Eine zentralere Anlaufstelle für die Stadtbibliothek als Schnittstelle zwischen Bildung und Begegnung oder aber auch mittels Pop-Up- Stores mehr Cafés oder Geschäfte zur Eröffnung zu ermutigen sind nur einige Ideen, um unsere Rheydter Innenstadt attraktiver und lebenswerter zu machen. Gerade vor diesem Hintergrund müssen die Menschen in Rheydt bei den Planungen informiert und eingebunden werden.“
Karin Boeker-Mahr – Leiterin des Kumon Lerncenter in Rheydt: „Der Zusammenhalt der Rheydter Einzelhändler und die städtischen Aktivitäten haben großes Potential. Ist das Angebot an Geschäften aller Kulturen bereits vorhanden, besteht die Herausforderung, Tradition sowie alteingesessene Gewohnheiten mit dem bunten, interkulturellen Leben zu verknüpfen. Innovative
Begegnungsmöglichkeiten für ein Miteinander einzelner und/oder aller Altersgruppen an unterschiedlichen Stellen könnten die Verknüpfung von Tradition und Moderne erleichtern und die
Aufenthaltsqualität in der Innenstadt ergänzend zu anderen Entwicklungsschritten weiter steigern.“
Kathrina Hieber – Quartiersmanagement Rheydt und Studierende: “ Innenstädte sollten einen Raum der Begegnung darstellen, einen Ort an dem sich Menschen treffen, austauschen und ihren Interessen nachgehen. Voraussetzung dafür ist ein buntes Angebot. Dieses kann zwischen besonderen Geschäften, schönen Cafés, Aktionen im öffentlichen Raum und Initiativen verschiedener Interessensgruppen liegen. Allgemein denke ich jedoch liegt die Notwendigkeit darin, dass lokale Akteure an einer gemeinsamen Vision für den jeweiligen Standort arbeiten, um miteinander etwas zu verändern. Jede Innenstadt besitzt einen eigenen Charakter, genauso wie die Menschen, welche dort leben. Das sollte als Chance genutzt werden!“