Als Bundesverband der deutschen Flughäfen setzt sich der Flughafenverband ADV (Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen) für einen leistungsstarken und wettbewerbsfähigen Luftverkehrsstandort Deutschland ein. Im Interview für die aktuelle Ausgabe der „Business in MG“ spricht Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel über zukunftsfähige Airports, Schwierigkeiten sowie wichtige Impulse für die Branche.

Ralph Beisel ist seit 2007 Hauptgeschäftsführer des Flughafenverbandes ADV. Der Branchenexperte
hat zahlreiche Veröffentlichungen im Bereich Luftfahrt und Kostenmanagement publiziert. | Foto: ADV

 

Die deutschen Flug­hä­fen stre­ben den kli­ma­neu­tra­len Flug­ha­fen­be­trieb bis zum Jahr 2045 an. Der wich­tigste Mei­len­stein dahin: 65 Pro­zent CO2-Einsparung bis zum Jahr 2030. Was stimmt Sie Stand heute hoffnungsvoll, dass die ehrgeizigen Ziele erreicht werden können?

Ralph Beisel: Die klimaneutrale Infrastruktur eines Flughafens ist ein wichtiger Baustein für die Dekarbonisierung der Branche. Seit 2010 wurden bereits über alle Standorte die CO2-Emissionen um 35 Prozent verringert. Für die kommenden Jahre haben unsere Flughäfen klare Fahrpläne zur Zielerreichung bis 2030. Dazu nutzen die Airports alle technischen Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung in der Energieversorgung, aber auch zur Optimierung des Stromverbrauchs, etwa durch intelligente Regelungstechnik, den Einsatz von LED-Leuchten oder eine klimaeffiziente Gebäudetechnik. Ziel ist es, langfristig weniger und „grünere“ Energie zu verbrauchen und den reduzierten Energiebedarf durch saubere, nachhaltige und regenerative Energien zu decken.

 

Und worin sehen Sie auf der anderen Seite die größten Schwierigkeiten auf dem Weg dahin?

Ralph Beisel: Für die Transformation zu den klimaneutralen Flughäfen braucht es Investitionen, die finanziert werden müssen. Wer viel fordert, muss auch fördern. Vor diesem Hintergrund formuliert die ADV klare Forderungen für Unterstützungsmaßnahmen an die Politik:

  • Innovative Konzepte zur Dekarbonisierung entschlossen fördern: Alternativen Kraftstoffen und elektrischen Antrieben im Flugverkehr zum Durchbruch verhelfen. An fünf Flughafenstandorten werden nachhaltige Kraftstoffe bereits vertankt. An 12 Standorten ist der Einsatz von nachhaltigem Kraftstoff in Planung.
  • Unterstützung des ökologischen Umbaus der Flughäfen („Grüne Investitionen“) durch öffentliche Mittel, beispielsweise durch die Förderung von erneuerbaren Energien und Elektromobilität.
  • Intermodalität durch eine verbesserte Schienenanbindung der Flughäfen stärken: Nur vier Flughäfen in Deutschland sind bislang ans ICE-Netz und fünf an das Fernverkehrsnetz angeschlossen.

Wir wollen eine klimaneutrale Luftfahrt. Wichtig ist, dass die in Deutschland eingeführten Klimaschutzmaßnahmen im internationalen Vergleich nicht zu einer Benachteiligung der deutschen Flughäfen führen. „Carbon leakage“ wäre sonst die Folge mit negativen Konsequenzen für Klima und den Standort Deutschland

 

Der Flughafen Mönchengladbach setzt, ebenso wie andere Airports in Deutschland, bereits etliche Projekte um, die auf das Thema Klimaneutralität einzahlen. Eine Grundvoraussetzung dafür, dass die Anstrengungen fruchten, sind aber klimaneutral hergestellte, synthetische Kraftstoffe. Wann ist mit deren Marktreife zu rechnen, und woran hapert es noch in der Entwicklung?

Ralph Beisel: SAF ist eine der wichtigsten Säulen der deutschen nationalen Wasserstoffstrategie. Im Vorfeld der ReFuelEU Aviation-Initiative verständigte sich die Bundesregierung zusammen mit Vertretern der Landesministerien am 7. Mai 2021 mit Akteuren der Luftfahrtindustrie, der Mineralölwirtschaft sowie Anlagenherstellern und -betreibern auf einen Stufenplan, die sog. „PtL-Roadmap – Nachhaltige strombasierte Kraftstoffe für den Luftverkehr in Deutschland“. Geplant ist, bis 2030 jährlich mind. 200.000 Tonnen nachhaltiges Kerosin für den deutschen Flugverkehr herzustellen. So möchte man Klimaemissionen eines Drittels aller innerdeutschen Flüge einsparen. Bislang werden hauptsächlich die aus Biotreibstoffen genutzten SAFs verwendet. Deren Verfügbarkeit ist aber begrenzt. Die Technologien zur Herstellung von synthetischem Kerosin („PtL“) sind entwickelt – bislang fehlt es an der Errichtung von großindustriellen Anlagen. Werden von der Politik verlässliche Rahmenbedingungen für den Einsatz von PtL vorgeben erhöht das die Planbarkeit von Investoren. Im besten Fall könnten dann ab ca. 2035 Anlagen bereitstehen, die PtL zu einem wettbewerbsfähigen Preis herstellen.

 

Coronakrise, Personalmangel, Energiekrise, zuletzt Warnstreiks: Die Luftfahrtbranche ist unter massiven Druck geraten, vor jeden Ferien droht Chaos. Sehen Sie darin auch eine Chance für General-Aviation-Airports mit schlankeren Abläufen und kürzeren Wegen, sich gegenüber den großen Airports für gewerbliche Luftfahrt zu profilieren?

Ralph Beisel: Kleinere Flughafenstandorte…

  • … stützen eine hochwertige, gut vernetzte Mobilität.
  • … erfüllen die Daseinsvorsorge.
  • … tragen zu gleichwertigen Lebensverhältnissen für die Bevölkerung bei.
  • … sind für international tätige Unternehmen ein wichtiger Standortfaktor.
  • … sichern den Ausbau inländischer Wirtschaftszentren.
  • … erhöhen den Bekanntheitsgrad einer Region und das Standortimage.

 

Der Flughafen Mönchengladbach hat sich zum größten Flugplatz NRWs für die Allgemeine Luftfahrt entwickelt und bundesweit zum zweitbedeutendsten hinter Frankfurt-Egelsbach. Inwiefern verfolgen Sie von Berlin aus solche positiven Entwicklungen?

Ralph Beisel: Zu einem innovativen deutschen Wirtschafts- und Logistikstandort gehört eine moderne und vernetzte Mobilitätsgesellschaft, in der sich kleinere und größere Flughafenstandorte sinnvoll ergänzen und im europäischen Wettbewerb behaupten können. Kleinere Flughäfen decken Bedarfe der allgemeinen Luftfahrt – Geschäftsflieger, Privatflieger, Kranken- und Organtransporte, Werkverkehre, Transport von Gütern und Trainingsflüge. Der Flughafen Mönchengladbach hat genau dieses Potential für sich erkannt und setzt konsequent auf seine Stärken in genau diesen Punkten.

 

Der MGL positioniert sich außerdem zunehmend als Innovationszentrum und Reallabor, ob nun beim Klimaschutz, bei der Digitalisierung, bei der Integration neuer Flugobjekte in den Luftraum oder beim Ausbau zukunftsfähiger Wartungs- und Schulungsansätze. Welche Impulse für die Branche erhoffen Sie sich von solchen Entwicklungen?

Ralph Beisel: Die Luftfahrtindustrie war schon immer Innovationstreiber. Nun steht sie vor der großen Herausforderung das Fliegen klimaneutral zu machen. Hier ist Forschung essentiell. Vor allem in den Bereichen neue Werkstoffe, alternative Antriebe, synthetische Treibstoffe, elektrisches Fliegen, UAVs, neue Luftraumsteuerungsverfahren oder auch durch Digitalisierung gestütztes effizienteres Fliegen. Hier gilt es, alle Player – Investoren, Forschung, Gesetzgebung, Nutzer – an einen Tisch zu holen, Synergien zu realisieren. Dies kann in einem Innovationszentrum und Reallabor – wie Mönchengladbach eines – ist in idealer Weise geschehen.