Ein tagesaktuelleres Thema hatte es bei den Mönchengladbacher Wirtschaftsgesprächen wohl nie zuvor gegeben: „Die neue US-Präsidentschaft und ihre Auswirkungen auf die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen“ lautete der Titel des Vortrags von Sandra Navidi im Hugo-Junkers-Hangar. Die Börsenexpertin, Juristin und Autorin hatte zudem frische Eindrücke vom Weltwirtschaftsforum in Davos im Gepäck. Sie stimmte die anwesenden Wirtschaftsvertreter auf harte und vor allem unsichere Zeiten ein, wusste jedoch am Ende auch eine positive Note zu setzen.
Mehr als 400 Gäste waren der Einladung von WFMG – Wirtschaftsförderung Mönchengladbach GmbH, Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein, Stadtsparkasse Mönchengladbach und Rheinischer Post gefolgt und lauschten gebannt den Ausführungen der gebürtigen Mönchengladbacherin. Navidi, Tochter eines mittelständischen Unternehmers aus der Region, lebt und arbeitet seit mehr als 20 Jahren in New York. Die Juristin, Autorin und Börsenfachfrau gilt als international renommierte Expertin für die wirtschaftspolitischen Entwicklungen in und mit den Vereinigten Staaten. In ihrer Keynote zeichnete sie das schonungslose Bild einer bevorstehenden wirtschafts- und geopolitischen Zeitenwende.
Schutzzölle, Protektionismus, extreme Deregulierung, Abkehr von energie- und klimapolitischen Leitlinien, Massendeportationen von Einwanderern – und das alles in Verbindung mit einer nie dagewesenen Konzentration von politischer, finanzieller, militärischer und technologischer Macht: Die radikale Vorgehensweise der neuen US-Administration unter Donald Trump werde, so Navidi, in den USA und weltweit zu massiven Verwerfungen führen, deren Konsequenzen letztlich noch nicht abzusehen seien. Mögliche Handelskriege und eine Spirale von Maßnahmen und Gegenmaßnahmen seien nur eine von mehreren denkbaren Ausformungen. Insbesondere die westlichen Bündnispartner, darunter nicht zuletzt auch Deutschland, müssten sich auf Jahre der Willkür und Unsicherheit, auf zwar sprunghafte, aber gleichzeitig stets von amerikanischen Eigeninteressen gesteuerte Entscheidungen mit weitreichenden Auswirkungen einstellen.
Eingangs hatten IHK-Präsident Elmar te Neues und Oberbürgermeister Felix Heinrichs im Talk mit Denisa Richters, Leitender Regionalredakteurin der Rheinischen Post, die Gäste auf das Thema eingestimmt. Insbesondere te Neues, dessen Vorfahren vor mehr als 300 Jahren in die USA auswanderten, Germantown (Philadelphia) gründeten und eine bis heute aktive mennonitische Gemeinde ins Leben riefen, wusste aktuelle Einblicke beizusteuern. So seien ein Abbau überbordender Bürokratie und ein Absenken von Energiekosten zwar attraktive Signale für die Wirtschaft, die es auch in Deutschland benötige. Amerikanische Schutzzölle für Importe aus Europa wiederum würden jedoch knapp 40 Prozent der Unternehmen am Niederrhein hart treffen – und das in Zeiten einer ohnehin bereits länger anhaltenden Rezession. Speziell die Automobil-, Maschinenbau-, Chemie- und Aluminiumindustrien in der Region würden dann leiden, so te Neues. Zugleich warnte er davor, allein aus der deutschen Perspektive heraus über Entwicklungen in den Vereinigten Staaten zu urteilen. OB Heinrichs betonte den Wert von Verlässlichkeit, Kompromissbereitschaft und Rechtssicherheit als notwendiges Fundament jeglicher Zusammenarbeit zwischen Demokratien. Zugleich wies er darauf hin, dass er Populismus jeglicher Art nicht für ein geeignetes politisches Instrument halte.
Gefragt, was man all diesen Entwicklungen als Europa und als Deutschland denn entgegenhalten könne, sagte Navidi, es komme nun mehr denn je auf persönliche Beziehungen an, die es zu pflegen gelte; auf persönliche Beziehungen über den Atlantik hinweg, aber auch untereinander. „Historische Umbrüche bergen immer auch Chancen, und Wirtschaft lebt immer von persönlichen Netzwerken“, schloss sie ihren Vortrag. Deswegen seien Netzwerkveranstaltungen wie die Mönchengladbacher Wirtschaftsgespräche auch so wichtig. Europa müsse, statt selbst auf einen konfrontativen Kurs einzuschwenken, nun noch näher zusammenrücken und die eigenen Grundwerte mehr denn je hochhalten, dabei jedoch auch selbst wichtige Reformen wie eine notwendige Entbürokratisierung auf europäischer Ebene anstoßen. Eine Chance könne zudem darin liegen, angesichts eines zunehmend wissenschafts- und forschungskritischen Klimas in den USA möglicherweise gezielt Talente von jenseits des großen Teichs abzuwerben.
Die Veranstaltung mit Sandra Navidi war bereits die 32. aus der Reihe der Wirtschaftsgespräche. WFMG und IHK wechseln sich mit der Federführung ab, dieses Mal lag diese bei der Wirtschaftsförderung. Seit Beginn des Jahrtausends bis zum Einsetzen der Pandemie hatte es dabei übrigens ausschließlich männliche Referenten gegeben, seit der Wiederaufnahme nach einem Jahr Corona-bedingter Pause stand in Sandra Navidi nun hingegen bereits die vierte Frau in Serie auf der Bühne. Zuvor hatten 2021 Birgit Kretschmer (Finanzchefin von C & A), 2023 NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur und 2024 Claudia Nemat (Vorstandsmitglied der Deutschen Telekom) gesprochen.
Fotos (Quelle: Felix Küster für WFMG):
Die Fotos zeigen: (1, v. l.:) Oberbürgermeister Felix Heinrichs, IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz, Dr. Ulrich Schückhaus (Vorsitzender der WFMG-Geschäftsführung), Antonius Bergmann (Vorstandsvorsitzender der Stadtsparkasse), Sandra Navidi, Elmar te Neues (IHK-Präsident), Denisa Richters (Leitende Regionalredakteurin der Rheinischen Post), Friedhelm Lange (Geschäftsführer von WFMG und MGMG) sowie Güneş Somtürk (Prokuristin WFMG); (2): Referentin Sandra Navidi.
Ansprechpartner für Redaktionen:
i.A. Jan Schnettler | schnettler@wfmg.de | Tel. 02161 82379-885