Prof. Dr. Andreas Pinkwart ist Minister für Wirtschaft, Energie, Innovation und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen. Foto: MWIDE NRW/R. Pfeil
Wirtschaftsminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart im Interview mit der WFMG
— Herr Prof. Dr. Pinkwart, Sie hatten in Leipzig einen Lehrstuhl für Innovationsmanagement und Entrepreneurship inne – keine typisch deutschen Qualitäten. Welche Hilfestellungen gibt das Land und gibt Ihr Ministerium, um Unternehmergeist und Innovationsfreude in NRW zu stärken?
Prof. Dr. Andreas Pinkwart: Lassen Sie mich zunächst mit einem weitverbreiteten Missverständnis aufräumen: Das Label „Made in Germany“ verdeutlicht das Gegenteil dessen, was in Ihrer Frage festgestellt wird. Deutschland und insbesondere Nordrhein-Westfalen sind traditionell innovative und wirtschaftlich starke Räume. Das wird deutlich, wenn man den starken Mittelstand und die vielen Hidden Champions hierzulande betrachtet. Richtig ist aber auch, dass wir mehr Start-ups in NRW benötigen. Besondere Bedeutung dabei haben technologie- und wissensbasierte Gründungen, weil sie oftmals schneller wachsen, ein größeres Arbeitsplatz-Potential haben und zudem den Innovationsdruck auf etablierte Unternehmen erhöhen.Die Landesregierung ist verlässlicher Partner dieser kreativen Szene. Wir wollen beste Rahmenbedingungen schaffen und die Gründungsphase einfacher, digitaler und schneller gestalten. Einen ersten Schritt haben wir mit der Übertragung der Zuständigkeit für Gewerbeanzeigen auf Industrie- und Handelskammern sowie Handwerkskammern bereits unternommen. Monetär werden wir Gründerinnen und Gründer mit einem Stipendium in Höhe von 1.000 Euro pro Monat für ein Jahr lang in der risikoreichen Pre-Seed- und Seed-Phase unterstützen. Ziel dieser und anderer Aktivitäten ist, in Nordrhein-Westfalen ein lebendiges Start-up-Ökosystem zu entwickeln, in dem kreative Gründerinnen und Gründer ihre Innovationskraft entfalten können.
— Sie sind Minister für Wirtschaft, Energie, Innovation und Digitalisierung. NRW hat allgemein Nachholbedarf, was die beiden letzten Punkte angeht. Was raten Sie Städten wie Mönchengladbach, die eher am Rande der großen Metropolen stehen, zu tun, um sich in diesen Bereichen zu profilieren?
Pinkwart: Jeder Wirtschaftsstandort, jede Region und jede Kommune sollte sich ihrer Stärken, Chancen und Herausforderungen bewusst werden. Je nach Sichtweise kann auch deutlich werden, dass ein Standort nicht am Rande großer Metropolen liegt, sondern im Zentrum zwischen diesen. Auf jeden Fall wird so erst erkennbar, mit welchen Maßnahmen und Instrumenten eine erfolgreiche Entwicklung des Standortes – auch mit kommunalen Partnern aus der Region – gelingen kann. Mit dem Projektaufruf „Regio.NRW 2018“, der am 9. April startet, unterstützt das Land Nordrhein-Westfalen regional wirksame Projekte zur Standortprofilierung und die Entwicklung von regionalbedeutsamen Wirtschafts- und Brachflächen. Insgesamt stehen in dem Projektaufruf EFRE-Mittel im Umfang von 50 Millionen Euro zur Verfügung. Zudem erarbeitet die Landesregierung derzeit eine Digitalstrategie. Ziel ist es, die Chancen der Digitalisierung konsequent und in der ganzen Breite – von der Infrastruktur über die Verwaltung bis hin zur Wirtschaft – zu nutzen und unser Land optimal auf die Zukunft vorzubereiten.
— Wie intensiv hängt Ihrer Meinung nach die Entwicklung eines Wirtschaftsstandorts mit der Entwicklung eines Hochschulstandorts zusammen? Wie wichtig ist es, dass Hochschule und Wirtschaft viel interagieren, sich austauschen, sich gegenseitig pushen?
Pinkwart: Hochschulen sind wichtige Keimzellen für die Entwicklung von Innovationen und damit Treiber der technologischen Entwicklung. Deshalb waren und sind die Hochschulgründungen in den 1960er und 70er Jahren, aber auch die FH-Gründungen Anfang der 2000er Jahre für Nordrhein-Westfalen von entscheidender Bedeutung. Dies gilt auch für die heutige Hochschule Niederrhein mit ihrem Standort Mönchengladbach. Ihre anwendungsorientierte Ausrichtung und die enge Zusammenarbeit mit der regionalen Wirtschaft leisten einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung des Wirtschaftsstandortes. Aber auch andere Forschungseinrichtungen und natürlich auch die FuE-Abteilungen in den Unternehmen selbst sind wichtige Impulsgeber zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und Wertschöpfungsketten vor Ort. In Zeiten des Fachkräftemangels übernehmen die Hochschulen neben und mit der Wirtschaft eine wichtige Funktion in der Ausbildung von Fachkräften. Damit die Absolventen schließlich an den regionalen Wirtschaftsstandort gebunden werden können, ist die vertiefte Zusammenarbeit von Wirtschaft und Hochschule in der Region von zentraler Bedeutung.
— Die Rede ist immer wieder von einem „Rheinland Valley“ in der ABCD-Region Aachen, Bonn, Köln, Düsseldorf. Dabei taucht Mönchengladbach, trotz geografischer Überlappungen, erst einmal nicht auf, obwohl es unter anderem spannende Flächen bereithält, beispielsweise das brachliegende ehemalige JHQ, das für innovative Mobilitätsthemen interessant sein könnte. Inwiefern wird Mönchengladbach seitens des Landes „mitgedacht“, wenn es um ein „Silicon Valley im Rheinland“ geht?
Pinkwart: Mönchengladbach ist Teil der Metropolregion Rheinland und kann sich mit seinen Stärken in die Entwicklung der gesamten Region einbringen. Richtig ist, dass ich mit dem Vorschlag für ein „Rheinland Valley“ zu Beginn meiner Amtszeit eine Vision entwickelt habe. Offensichtlich ist mir das erfolgreich gelungen.Das Rheinland verfügt über eine Hochschul- und Forschungslandschaft, die ihresgleichen sucht. Die internationale Anbindung und die kulturellen Angebote machen die Region zu einem Top-Standort im internationalen Kontext. Das sind wesentliche Grundlagen, die für die Entwicklung eines „Rheinland Valleys“ notwendig sind – und jede Kommune kann und sollte sich in einen solchen Prozess einbringen.
— Eine Wachstumsbranche in Mönchengladbach war und ist die Logistik, mit dem Angebotsspektrum, das mittlerweile von Amazon bis Zalando reicht; die Stadt ist amtierender NRW-Logistikstandort des Jahres. Inwiefern ist das ein Pfund, mit dem auch das Land nach außen werben kann?
Pinkwart: Es ist wirklich toll, was sich in den letzten Jahren in Sachen Logistik im Raum Mönchengladbach alles getan hat. Hierzu möchte ich allen Verantwortlichen herzlich gratulieren. Auch zur Auszeichnung „NRW-Logistik-Standort des Jahres“. Der Wettbewerb, der vom Kompetenznetz Logistik.NRW ausgelobt wird, unterstreicht den Stellenwert, den die Logistik innerhalb unserer modernen Wirtschaft hat.Als Exportland sind wir auf eine reibungslos funktionierende Logistikwirtschaft angewiesen. Das ist heutzutage ein wertschöpfungsintensives Pfund, was schwer wiegt und auf das wir sehr stolz sind. Mit Mönchengladbach haben wir einen Top-Logistikstandort, der Nordrhein-Westfalen noch wettbewerbsfähiger macht.
— Nichtsdestotrotz ist Mönchengladbach nach wie vor auch ein starker Industriestandort. Die angekündigte Schließung des profitablen GE-Werks sorgte bis auf Landesebene hinauf für Wirbel. Was kann das Land in solchen Fällen konkret tun – und welche Handhabe hat man ganz allgemein, um Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass Konzerne sich künftig nicht mehr mir nichts, dir nichts aus NRW verabschieden wollen?
Pinkwart: Auch wenn die Landesregierung keinen unmittelbaren Einfluss auf einzelne Unternehmensentscheidungen hat, stehen wir natürlich in diesem wie anderen Fällen in engem Austausch mit der Unternehmensleitung, den Arbeitnehmervertretern und der Stadt, um uns für den Fortbestand des Betriebes einzusetzen. Zudem ist es unsere vornehmste Aufgabe, gemeinsam alles dafür zu tun, unseren Wirtschaftsstandort so attraktiv wie möglich zu gestalten und den vorhandenen wie neuen Unternehmen beste Voraussetzungen für die Gewinnung hochqualifizierter Fachkräfte und die Kooperation mit Wissenschaft und Forschung zu eröffnen.
Das Gespräch wurde für die neue Ausgabe von „Business in MG“ geführt und findet sich dort in gekürzter Form wieder.