Zur dritten Folge des WFMG-Podcasts begrüßen wir Angelika Kammann. Die Designerin und Gründerin des Mönchengladbacher Modelabels „Société Angelique“ spricht im Interview über die Verantwortung der Modeindustrie, ihre eigene Philosophie und die Besonderheiten ihres Unternehmens und Standortes. Viel Spaß beim Reinhören!
(Bearbeitung Podcast: Axel Tillmanns)
Nachfolgend können Sie das gesamte Interview, das wir für die „Business in MG“ geführt haben, auch nachlesen (Transkription: Leony Pennarz, Bearbeitung: Stefanie Rink):
Angelika Kammann im Atelier | Foto: S. Rink
„Mönchengladbach wieder zur Textilhochburg machen“
Die Designerin und Gründerin Angelika Kammann des Mönchengladbacher Modelabels „Société Angélique“ spricht im Interview über die Verantwortung der Modeindustrie, ihre eigene Philosophie und die Besonderheiten ihres Unternehmens und Standortes.
Sie sind nach namhaften Stationen der Haute Couture zurück in Ihrer Heimatstadt. Warum haben Sie Ihr Label „Société Angelique“ in MG gegründet?
Angelika Kammann: Nach acht Jahren Fernbeziehung bin ich in Mönchengladbach mit meinem Lebenspartner zusammengezogen. Gladbach ist für mich also eine Entscheidung des Herzens – für meine Beziehung und meine Heimatstadt. Ein weiterer Punkt ist die wunderbare Lage Gladbachs im Herzen Europas. Ich kann in diesem Zentrum verschiedener Kulturen äußerst kreativ sein und bin inspiriert, meine Lieferanten kann ich schnell erreichen und Paris, eine mir sehr wichtige Stadt und eine Quelle meiner Inspiration, ist quasi einen Katzensprung entfernt.
Also wie man so schön über Mönchengladbach sagt: im Herzen Europas.
Angelika Kammann: Ganz genau. Ich kann den TGV nehmen und bin sofort in Paris – Paris, Frankreich generell, ist mir und meiner Familie sehr nah. Ich überlege gerade auch, mit einer Pariser Presseagentur zusammenzuarbeiten. Aber ich bin natürlich auch ganz schnell in Berlin, in Polen und in München, wo die Schnittmacher, mit denen ich kooperiere, leben. Und dann habe ich da noch eine ganz tolle Schneiderin, aber auch hier in Mönchengladbach. Also das ist wirklich ein toller und zentraler Punkt, um zu arbeiten.
Was ist daran besonders nachhaltig – und warum ist Nachhaltigkeit in der Modeindustrie für Sie mehr als nur ein Megatrend?
Angelika Kammann: Nachhaltigkeit darf kein Megatrend sein, sondern muss jetzt gelebt werden. Das haben wir gerade an den Ereignissen in der Eifel gesehen. Die Modeindustrie ist der zweitgrößte Umweltverschmutzer. Dessen muss man sich bewusst werden. Produktionen, die auf ethischen Werten beruhen, sind noch nicht an der Tagesordnung und laut Statistiken werden in Deutschland immer noch 1,4 Prozent der gekauften Kleidung ungetragen weggeworfen. Es wird auch zu viel Polyester benutzt. Das gilt sowohl für den hochwertigen Bereich als auch für den Massenmarkt. Polyester ist jahrelang nicht abbaubar. Mit meinen Kunden möchte ich dazu beitragen, dass die Industrie besser wird. Wir möchten ein neues Bewusstsein für Mode und Qualität entwickeln, Lieblingsstücke entwerfen und tragen, die man auch nach einigen Jahren aus dem Schrank holen kann.
Sie haben im Frühjahr das Gründerstipendium NRW akquiriert, ein Grundkriterium dafür ist Innovativität. Was ist innovativ an Ihren Produkten?
Angelika Kammann: Es gibt großartige neue Techniken etwa im Strickbereich. Ich habe lange Jahre als Strickdesignerin gearbeitet und weiß, dass man in diesem Segment das Rad neu erfinden kann. Etwa in Zusammenarbeit mit den Lieferanten, die ich seit Jahren kenne und mit denen ich viele verschiedene Techniken und Garne ausprobieren kann. Eine weitere Innovation für die ich das Förderstipendium erhalten habe, ist das Projekt eines personifizierten Avatars auf unserer Website. Durch Eingabe der eigenen Maße soll es möglich sein, seinen persönlichen Avatar zu erstellen und die Styles online anzuprobieren. Der Hintergrund hierfür ist, das ‚Hin- und Herschicken‘ zu vermeiden und CO2 einzusparen. Hier sind wir noch in der Entwicklung.
Ihre Mode wird nicht nur über Ihre Website vermarktet, sondern ist bereits in Luxushäusern in ganz Deutschland zu finden. Wie ist Ihnen das gelungen?
Angelika Kammann: Noch ist es nicht so weit. Die Luxushäuser haben eingekauft, da bin ich sehr glücklich drüber. Momentan ist die erste Kollektion in Produktion. Auf der Münchener Stoffmesse habe ich gerade die Stoffe dafür eingekauft, dann wird alles genäht und am ersten Dezember ausgeliefert. Das ist spannend. Natürlich habe ich einige Kontakte während meiner Laufbahn geknüpft. Ich habe für große Modehäuser gearbeitet wie Escada, Wolfgang Joop, Wunderkind oder Strenesse und war auch im Ausland für größere Unternehmen tätig. Da habe ich viele Menschen kennengelernt, die alle auch sehr interessiert an dem Projekt und der Philosophie sind, mir helfen wollen und daher Adressen zugeschustert haben. Aber letztendlich geht es mir darum, wieder einen persönlichen Kontakt mit dem Endkunden und den namentlichen Häusern aufzubauen. Und das ist das schöne. Man merkt gerade, wer zu einem passt und wer nicht. Hartnäckigkeit trägt auch dazu bei. Das KaDeWe hat anfangs etwa abgesagt, dann habe ich noch einmal angerufen und letztendlich hat es beim richtigen Einkäufer funktioniert. Jetzt werden wir in der Luxusabteilung im KaDeWe zu finden sein, in der Nähe von Givenchy – wirklich im Herzen der Mode. Was mich daran noch mal mehr freut ist, dass die Authentizität des Designers, der erste Gedanke, direkt in den Laden kommt.
Also wird nicht nur die Mode, sondern auch die Haltung dahinter gezeigt?
Angelika Kammann: Genau! Und das geht in großen Firmen ganz oft verloren, weil da so viele Menschen mitreden und sagen, der Halsausschnitt muss kleiner oder es muss ein anderes Garn sein, sodass das Teil oftmals für den Endkunden gar nicht mehr die Initialidee des Designers ist. Das passiert heute viel in großen Firmen, während ich den Kunden wesentlich mehr am kreativen Prozess teilhaben lassen kann, wenn er das authentische Teil letztendlich in den Händen hält.
Und so können Sie Ihre künstlerische Freiheit in Ihrem Modelabel auch ausleben?
Angelika Kammann: Richtig, ja! Aber es wird heute oft angekreidet, dass künstlerische Freiheit nicht kommerziell ist. Das glaube ich tatsächlich nicht, weil der Designer sich ja schon Gedanken macht. Wie kann das Kleid getragen, wie die Bluse kombiniert werden? Bei meiner Kollektion sind auch alle Teile untereinander kombinierbar. Das ist eine künstlerische Freiheit, die, wenn sie authentisch beim Endkunden angekommt, kommerzieller ist, als wenn man vorab sagt: Kommerziell ist aber der Halsausschnitt oder aber ein anderes Garn. Das ist ganz wichtig, dass wir da wieder hinkommen.
Welche Weiterentwicklungen Ihres jungen Unternehmens stehen in den nächsten Monaten an?
Angelika Kammann: Es passiert gerade ganz viel. Ich bin beim Berliner Salon dabei. Das ist natürlich toll, weil die Kollektion dann mehr gesehen wird. Christiane Arp, die ehemalige Chefin der Vogue, hat mir Komplimente gemacht. Da bin ich ganz stolz drauf und das initiiert ja wieder andere Pressemitteilungen. Im Stilmagazin ICON erscheint auch ein toller Artikel. All das hilft mir, um mit meiner Philosophie beim Endkunden bekannter zu werden. Deswegen steht also Marketing und Pressearbeit an. Dann muss die Produktion perfekt ausgeliefert werden. Das ist ganz wichtig. Heute Nachmittag kommt die Gradiererin. Gradieren heißt, man muss in verschiedene Größen gehen. Die Kollektion hängt hier in Größe 36, aber es wurden ja auch andere Größen eingekauft. Daher ist es wichtig, jetzt die richtigen Größen zu machen, damit der Kunde sich wohlfühlt und wieder kommt. Letztendlich steht dann die Auslieferung an und damit auch wieder die Präsentation oder Installation der Kleidungsstücke. Ich bin gerade im Etablierungsprozess, muss dann aber eben auch wieder die Zeit finden, kreativ zu sein und eine neue Inspiration finden, um auf dieser Basis eine tolle neue Kollektion zu machen.
Möchten Sie zum Stichpunkt Transparenz und nach außen tragen noch einmal auf Ihre innovative Idee mit den QR-Codes und den Chips eingehen?
Angelika Kammann: Ja, sehr gerne! Nachhaltigkeit heißt für mich nicht nur, dass wir weniger und dafür hochwertiger kaufen, Nachhaltigkeit besteht aus mehreren Komponenten. Zum einen aus absoluter Transparenz. Das lebe ich in meiner Unternehmensführung mit meinen momentanen Freelancern. So weiß jeder Bescheid, wann was passiert und was neue Entwicklungen sind. Für Kundentransparenz habe ich einen QR-Code an jedem Kleidungsstück. Wenn man diesen mit dem Handy scannt, kann man die Philosophie oder die Zusammensetzung der Lieblingsstücke nachlesen. Da ist auch beschrieben, wer das Teil in den entsprechenden Ländern betreut hat – u. a. in Italien für den Strick oder die Drucke, hierfür konkret beispielsweise der Name Rita. Letztendlich kommt man hierüber auch auf die Website des Lieferanten. Eine totale Transparenz, was für mich als nachhaltiges Unternehmen ganz wichtig ist. Die Produktionskette ist aufgeschlüsselt und für alle sichtbar.
Welches Potenzial hat die alte und neue Textilhochburg MG in Ihren Augen – vielleicht besonders, wenn Sie gezielt auf Nachhaltigkeit setzt?
Angelika Kammann: In Mönchengladbach und NRW tut sich gerade viel, und das finde ich sehr schön und spannend. Zum Beispiel das Projekt Textilfabrik 7.0, das einen entscheidenden Beitrag zum Strukturwandel in NRW beitragen wird. Oder die nachhaltige Jeansproduktion im Monforts Quartier, die jetzt über Brenninkmeyer (C&A) kommen soll. Ich würde mich freuen, bei diesen Projekten dabei zu sein! Es wäre schön, Mönchengladbach wieder zu einer Textilhochburg aufleben zu lassen, die sie ja auch einmal war.
Ein schöner Ausblick, Mönchengladbach wieder zur Textilhochburg zu machen. Ich danke Ihnen vielmals für das Gespräch und die Einblicke in Ihre spannende Arbeit fürs Modelabel „Société Angélique“ und wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg beim Aufrütteln und Verändern der Modewelt.
Angelika Kammann: Aufrütteln ist das richtige Wort – und Andersdenken auch noch. Das hat sehr viel Spaß gemacht mit Ihnen. Dankeschön!
Vielen Dank, freut mich!
Eine kurze Vita von Angelika Kammann und mehr Hintergründe zum Startup gibt es hier.
Weitere Infos auf der Homepage: Société Angelique.